Vor gut 30 Jahren galt – in Deutschland jedenfalls – ein Weinstock oder Rebstock im Alter von mehr als 30 Jahren als verbraucht und nicht mehr ertragstüchtig. Bei Ausfällen durch Rebkrankheiten oder Fehlschnitte nahm man bei Weinbergen mit diesem Alter keine Nachpflanzungen mehr vor, weil der Weinberg insgesamt als abgängig galt.
Hundertjährige Rebstöcke sind der Stolz des Winzers
Inzwischen wird dies nicht mehr als Problem gesehen, zumal die Mehrzahl der Winzer dem Menge-Güte-Gesetz folgt, und Ertragssteigerung um jeden Preis schon längst nicht mehr als Ideal ansehen. Vielmehr hat sich die Ansicht durchgesetzt, dass bei der extrem tiefwurzelnden Pflanze ein Zugewinn des Weingeschmacks hinsichtlich „Terroir“ bei alten Reben zu beobachten ist. Deshalb finden sich immer mehr Weinbauern, die voller Stolz auf ihre Reben schauen, die 40, 50 oder gar 70 Jahre alt sind. Einige wenige Hundertjährige sind im gemischten Satz in Franken aufgefunden worden. Bei ihnen handelt es sich aber um Museumsweinberge.
Der Chateauneuf-du-Pape von Andre Brunel
Eine Alleinstellung der besonderen Art von Rebalterung findet sich in Chateauneuf-du-Pape bei Andre Brunel, der bereits seit 1989 einen hundertjährigen Weinberg bearbeitet und damit den vermutlich den delikatesten – aber auch teuersten – Chateauneuf erzeugt.
Man muss diese Rebgiganten auf der südwestlichen Spitze des Chateauneuf-Hügels einmal gesehen haben, die einen Umfang wie 100-jährige Eichen haben. Und man muss Andre Brunel seine Anerkennung aussprechen, dass er sich persönlich der Pflege dieses besonderen Weinbergs widmet. Ehrlicherweise muss man seinem Vater ebenfalls die ungeteilte Anerkennung zollen, denn normalerweise hätte er vor 50 oder 60 Jahren diesen Weinberg erneuern müssen.
Warum geschah dies nicht? – Die Antwort fällt, wie man Andre Brunel kennt, einfach und bescheiden aus: es war nicht notwendig, die alten Stöcke hielten sich tapfer im Ertrag und die erwünschte Rebsortenkombination stimmte auch. Die Vermutung, dass widerstrebende Eigentümer des Weinbergs sich über die Investition in eine Neuanpflanzung nicht einigen konnten, bestätigte sich nicht.
Das Verdienst des Vaters, Lucien Brunel, der bereits vor Jahren verstorben ist, ehrt Andre Brunel immer noch durch die Nennung seines Namens auf dem Weinetikett „Cuvee Centenaire“. Bei den Rebschnittarbeiten an diesem besonderen Weinberg fühlt man sich an die Tätigkeit von Chirurgen erinnert.
Le Centenaire: Grenache Noir, Mourvedre und Syrah
Der Centenaire ist ein Rotwein. Die Rebsortenkombination für den Centenaire ist denkbar simpel: Grenache Noir, Mourvedre und Syrah. Andre Brunel unterzieht den Wein allerdings einer speziellen Behandlung: Lagerung einige Monate im neuen Eichenfass und später im gealterten Fass.
Dieser Rotwein ist außerordentlich komplex und nuancenreich. Im Vergleich zu seinem „normalen“ Chateauneuf ist der Centenaire etwas heller und tendiert zu einem kräftigen Kirschrot. Im Bukett zeigt sich eine Nase von Brombeeren und schwarzen Johannisbeeren. Bei spürbarerer aller Mineralität durchziehen ihn Schoko- und Kaffeearomen und Lakritze. Trotz seiner 13,5 und manchmal auch 14 % Volumenalkohol wirkt dieser Wein leicht wie eine Feder. Geerntet werden ca. 15 Hektoliter pro Hektar. Andre Brunel spricht in diesen Zusammenhang von „Ausbeute“, was davon Zeugnis ablegen mag, dass die inzwischen 125 Jahre alten Rebstöcke nicht mehr so wuchskräftig sind.
Les Cailloux: Chateauneuf, Sommelonge und Becassonne
Unter dem Domainennamen „Les Cailloux“ (Die Steine, mit denen der Erdboden zu Wärmespeicherung bedeckt wird) produziert Andre Brunel auch weißen Chateauneuf, der je nach Jahrgang außerordentlich aromatisch und delikat ausfallen kann.
Die regelmäßig anfallenden Weine, die für die Cuvee des Chateauneuf nicht benötigt werden, vermarktet Andre Brunel als normale AOC Cotes du Rhone, (Sommelonge für rot und Becassonne für weiß) und sie haben den Charme, fast so zu schmecken wie ein Chateauneuf, nur dass sie für deutlich weniger Geld zu haben sind.
Aber Vorsicht: In vielen Jahren der regelmäßigen Weinreisen nach Chateauneuf, meist Ende April – Anfang Mai, erhielt ich von Andre Brunel die Auskunft: Ausverkauft – sowohl der Chateauneuf, als auch der Rhone. Die letzten Flaschen gingen nach dem Versenderetikett an das Weiße Haus in Washington. Insbesondere der Centenaire ist ein außerordentlich gesuchter Wein. In Deutschland wird er derzeit zwischen 109 und 139 € gehandelt. Die Bestellmenge muss aus gutem Grund angefragt werden. Ein „normaler“ Chateauneuf von „Les Cailloux“ war in Chateauneuf zuletzt für 21 € zu haben. Für die Verhältnisse in Chateauneuf-du-Pape ein üblicher Preis.
Bildnachweis: © morguefile.com – SQUAIO