Wilhelm Lerner auf dem Branchentreff 2014: Ein Blick in die Zukunft, gleich jetzt

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Und wie könnte die Weinwelt in zwanzig Jahren aussehen?“ Wilhelm Lerner, Associate Director und Country Manager für Deutschland, Österreich und die Schweiz, beim britischen Marktforscher Wine Intelligence und Partner bei Arthur D. Little (einstmals die größte Beraterfirma weltweit), verschrieb sich anlässlich des vorjährigen Branchentreffs der Weinwirtschaft am Donnerstag, den 27. November 2014 in Kloster Engelthal in Ingelheim dieser Fragestellung. Dieser Treff war vom Bundesverband der deutschen Weinkellereien, vom Weinfachhandel e.V. und der IHK Trier organisiert worden.

Wilhelm Lerner

Mit einem Wort: es ist enttäuschend, was der Berater trotz Umfrage an Zukunftsperspektive zu bieten hat. „Die Weinwirtschaft werde sich stärker als bisher auf die Bedürfnisse der Verbraucher einstellen müssen, die sich zunehmend emanzipieren und Erlebnisse statt (Wein) Belehrungen suchten, und auch die Verpackung werde als Unterscheidungsmerkmal an Bedeutung gewinnen.“ Schließlich sieht Lerner die Zukunft des Weins in China pulsieren.

Dass Wilhelm Lerner vorwiegend in der US-Weinwirtschaft beschäftigt war, mag noch als Entschuldigung für seine mangelnde Kenntnis der deutschen Weinwirtschaft und damit Analyse hingehen, dass er aber so krass auf der Oberfläche schwimmt, muss als typische Beraterkrankheit diagnostiziert werden.

Als ob die deutsche Weinlandschaft keine anderen Probleme hätte.

  1. Seit Jahrzehnten sucht man in Deutschland nach der geeigneten Rotweinsorte. Inzwischen gelingt es zwar, die Spätburgunder einigermaßen mit farbkräftigen Rottönen auszustatten, aber eine zweite wirklich befriedigende Sorte ist nicht in Sicht. Die Winzer behelfen sich einstweilen mit französischen Sorten. Möglicherweise sind die deutschen autochthonen Sorten – Blauer Portugieser, Trollinger und Lemberger – durchaus geeignet, hochklassige Weine um nicht zu sagen: Spitzenweine zu erzeugen, wenn, ja wenn man sich auf Maßnahmen der Qualitätssteigerung, u. a. eine vernünftige Ertragsbeschränkung verstehen wollte. Von dem Riesenbestand an Dornfelder könnte man sich dabei sacht trennen, in dem im unschädlichen Maß mit Dornfelder verschnitten würde.
  2. Zweitens müsste man den Schnitt wagen, sich von der Riesenzahl von Neuzuchten zu trennen. Das gilt besonders für das Gebiet Rheinhessen, bei dem leider Unklarheit herrscht, für welche Sorten und welche Weine dieses Gebiet steht. Mit dreizehn Weinbaugebieten bietet Deutschland an und für sich eine gute Übersichtlichkeit. Die für den Winzer notwendige Differenzierung nach Weintypen und Herstellungsmethode wächst sich aber aufgrund vieler Neuzüchtungen, die eigentlich in ihrer Begründetheit allesamt das traditionelle Rebensortiment diskreditieren, als Verwirrung bei den Weinkunden aus. Aus anderer Quelle: „Von den in Deutschland angebauten Rebsorten besitzen nur ca. 30 % ein Marktbedeutung.
  3. Nicht alle Neuzuchten sind kritisch zu sehen: Kerner, Rieslaner und Scheurebe erbringen regelmäßig qualitativ ansprechende Erträge. Weinpapst Hugh Johnson sprach sich kürzlich für diese Sorten aus: „.. manche Winzer besitzen jetzt richtig alte Reben, die aromatisch-gewichtige trockene und geschmacksintensive, konzentrierte edelsüße Weine erbringen.“
  4. Dem Niedergang des Elblings sollte gesteuert werden. Die Sorte hat als älteste Weißweinsorte eine Existenz verdient, vor allem da sie ein sortentypisches angenehmes Aroma aufweist. Dem „Billig-Image“ müsste durch konsequente Qualitätsmaßnahmen widersprochen werden können.
  5. Der Bundesverband der deutschen Weinkellereien forderte unlängst die Weinanbaufläche in Deutschland zu vergrößern. Umgekehrt würde ein Schuh draus, wenn durch Ertragsbegrenzung ein deutliches Qualitätssignal gesetzt werden könnte. Die durchschnittlichen Erträge in Deutschland sind in Vergleich zu Frankreich und Spanien zu hoch. Wikipedia weiß von einem „sehr hohen Durchschnittsertrag von 90 bis 100 hl/ha.“ Nach dem „Menge-Güte-Gesetz“ darf ein hohes Verbesserungspotential erwartet werden.
  6. Versuche mit eher südländischen Rebsorten wie z.B. der Syrah sollte man in Deutschland sein lassen. Allenfalls bietet die Chardonnay-Rebe wegen ihrer frühen Reife Chancen. Nicht in der weiteren Diversifikation von Rebsorten liegt die Lösung, sondern in der Konzentration auf das, was sich weithin in der deutschen Rebenwelt bewährt hat und sehen lassen kann.

Bildnachweis: © Shutterstock – nullplus

Über den Autor

Hans-Jürgen Schwarzer leitet die Online-Agentur schwarzer.de software + internet gmbh. Als Unternehmer und Verleger in Personalunion wie auch als leidenschaftlicher Blogger gehört er zu den Hauptautoren von startup-report.de. Innerhalb seiner breiten Palette an Themen liegen dem Mainzer Lokalpatriot dabei vermeintlich „schräge“ Ideen oder technische Novitäten besonders am Herzen.

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